Der Hauptfeind und das eigene Land
flo. Mit der Grossdemonstration in Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15.Januar in Berlin schien die revolutionäre Linke zu verkünden: Doch, da sind wir immer noch! Rund 12000 Genoss:innen nahmen an der Demo teil.
104 Jahre ist es her, seit protofaschistische Freikorpsleute unter Befehl des sozialdemokratischen Bluthunds Gustav Noske die Genossin Rosa Luxemburg und den Genossen Karl Liebknecht in Berlin ermordetet haben. Karl wurde am Tiergarten erschossen, Rosa töteten sie noch beim Hotel Eden am Kurfürstendamm, wo sie zuvor gefangen gehalten wurde. Ihre Leiche wurde bei der Lichtsteinbrücke in den Landwehrkanal geworfen.
Wichtige Veranstaltung
Der Mord an Luxemburg und Liebknecht hatte der damals noch jungen aber verzweifelt um die Revolution kämpfenden kommunistischen Bewegung in Deutschland das Haupt abgeschlagen. Und hätte die Revolution in Deutschland zusammen mit der in Sowjetrussland Erfolg gehabt, wie anders wäre der Gang der Geschichte der Klassenkämpfe doch verlaufen. Wenig überraschend also, dass die Gedenkveranstaltungen rund um Rosa und Karl mit die wichtigsten Veranstaltungen der revolutionären und marxistischen Linken im deutschsprachigen Raum darstellen. So dürfte die Demo in Berlin vom Frankfurter Tor zur «Gedenkstätte der Sozialisten» am Friedrichsfelder Friedhof die grösste kommunistisch dominierte Demonstration in Mitteleuropa sein. Entgegen den Erwartungen und vermutlich auch Hoffnungen der bürgerlichen Gesellschaft ist die LLL-Demo (für Luxemburg, Liebknecht, Lenin – seit Lenins Tod am 21.Januar 1924 bezog die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) den sowjetischen Revolutionär in ihr Gedenken mit ein) kein immer kleiner werdender Anlass einiger DDR-Nostalgiker:innen und Traditionskommunist:innen. Auch dieses Jahr erstreckte sich der Demonstrationszug über Kilometer.
Exponentielles Wachstum
Und es ist nicht das erste Jahr mit starkem Wachstum: So konnte man bei der letztjährigen Demonstration die Teilnehmendenzahlen laut der Tageszeitung junge Welt (jW) gegenüber 2021 auf 7000 verdoppeln. Laut Schätzungen der jW kamen dieses Jahr zwischen 12000 und 13000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet aber auch dem nahen Ausland zusammen. Dabei muss man berücksichtigen, dass dieses fast schon exponentielle Wachstum der Demonstration viel mit dem kleineren Demonstrationsaufkommen in den letzten Jahren angesichts der globalen Covid-Pandemie zu tun hat. Anwesend waren neben grossen Abordnungen der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjungend (SDAJ) und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) auch Teile der Linkspartei, kleinere Gruppen und grosse Blocks aus den Kontexten der migrantischen Linken. So waren auf manchen Banner an der Demonstration neben Rosa, Karl, Lenin auch Ibrahim Kaypakkaya zu sehen.
Ob es die Ausmasse der Demo waren, die die Polizei dazu animiert hat, vielleicht nicht mit ganz so brutaler Repression gegen die Aktivist:innen vorzugehen, lässt sich nicht sagen. Doch anders als 2018 und 2020 kam es dieses Jahr zu keinen Angriffen der Staatsmacht auf die Demonstration. Vor drei Jahren hatte die Polizei den Block der Freien Demokratischen Jugend (FDJ) angegriffen. Die vorgeschobene Begründung: Die Organisation sei verboten. Dies ist jedoch eine leicht zu widerlegende Lüge: Verboten war einzig die Auslandsorganisation der FDJ in der BRD. Die aus der Ost-FDJ hervorgegangen Strukturen sind nicht verboten. 2018 war der Vorwand der Polizei das Mitführen eines Öcalan-Bilds durch kurdische Genoss:innen.
Gegen Krieg und Aufrüstung
Auch an der Liebknecht-Luxemburg-Demo ist der Konflikt in der Ukraine präsent. Eine Teilnehmerin trägt die Fahne einer der Donbass-Volksrepubliken mit sich. Zwei Personen am Seitenrand halten den Demonstrant:innen, die sie geflissentlich ignorieren, eine ukrainische Fahne entgegen und in der bürgerlichen Presse wird in den Tagen nach der Demo von «russischer Kriegspropaganda» an der Liebknecht-Luxemburg-Demo berichtet. Für die Feinheiten der verschiedenen Positionen innerhalb der Linken hat man bei solchen Blättern natürlich keine Zeit. Und wahrscheinlich auch keine Lust, sich schlau zu machen. Was die Genoss:innen deutlich von den Meinungsmacher:innen bei der bourgeoisen Presse unterscheidet, ist: Karl Liebknechts Linie vom «Hauptfeind», der im eigenen Land steht. Dies findet wohl bei praktisch allen Linken an Zustimmung. Für Menschen in Westeuropa müssen ihre eigene imperial über die Nato agierende herrschende Klasse der Hauptfeind sein. Denn weder die werktätigen Massen in Russland noch in der Ukraine profitieren von diesem Krieg.