Nix da mit Menschlichkeit und Solidarität
sit. Am 22.September wurde im Nationalrat die Motion des PdA-Abgeordneten Denis de la Reussille diskutiert. Sie verlangte eine einmalige Covid-Solidaritätsabgabe von zwei Prozent auf Vermögen ab drei Millionen Franken. Angeführt vom Bundesrat wurde die Motion abgelehnt. Trotzdem lassen sich wichtige politische Schlüsse aus der Debatte ziehen.
«Meine Motion hat ein einziges Ziel: Unseren Gemeinden die notwendigen finanziellen Mittel zur Bewältigung sozialer und wirtschaftlicher Notlagen zu geben. Die Kosten dieser Pandemie werden extrem hoch sein», sagte am 22.September Denis de la Reussille, Nationalrat der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), zu Beginn seiner Rede. Und er erinnerte die anwesenden Volksvertreter*innen unter der Kuppel des Bundeshauses in Bern: «Die Annahme meiner Motion würde rund 18 Milliarden Franken Einnahmen für den Bund bringen.»
Konkrete Unterstützung gefordert
Blicken wir kurz zurück: Am 4.Mai 2020, inmitten der ersten Covid-Welle und als allen bewusst geworden war, dass die Schweiz vor einer wirtschaftlichen und sozialen Ausnahmesituation stand, reichte der PdAS-Nationalrat eine Motion ein mit der Forderung: «Der Bundesrat wird beauftragt, eine ‹Covid-19-Solidaritätssteuer› auf Vermögen von über drei Millionen Franken einzuführen und mit den Einnahmen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Familien, die Handwerksbetriebe und die Kleinunternehmen zu unterstützen.»
Ursprung der Motion war eine Petition der PdAS, die eine einmalige Abgabe von zwei Prozent auf den Vermögen der Wohlhabenden verlangte. Wichtig dabei: «Die ausbezahlten Gelder gelten als konkreter Unterstützungsbeitrag und nicht als Darlehen. Sie müssen daher nicht zurückerstattet werden», ist in der Petition zu lesen. Genau dies war auch der Sinn der Motion. Bei der Eingabe hielt de la Reussille in der Begründung fest: «Es ist nicht haltbar, dass die Kosten der Krise einzig auf die Einkommensschwachen und Angestellten unseres Landes abgewälzt werden.» Und: «Wer bisher stark von der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte profitierte, muss nun seinen Beitrag zum Allgemeinwohl und zur Wiederankurbelung der Wirtschaft leisten.»
Sehr wenige besitzen sehr viel
Zurück zur Debatte im Nationalrat vom 22.September. «Im Zusammenhang mit meiner Motion möchte ich Sie daran erinnern, dass unser Vorschlag Teil einer Realität ist, die – zumindest in unseren Augen – zunehmend problematisch ist», erwähnte de la Reussille weiter. Er zitierte aus einem Artikel einer kürzlich erschienenen Ausgabe der Zeitschrift «La vie économique»: «Das Gesamtvermögen in der Schweiz wächst weiter, aber die Verteilung des Reichtums ist immer ungleicher. In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Gesamtvermögen in unserem Land auf fast 2000 Milliarden Franken verdoppelt.» Geld ist in der Eidgenossenschaft vorhanden. Erinnert sei weiter daran, dass die 300 Reichsten im Lande 707 der gesamthaft 2000 Milliarden besitzen, also mehr als ein Drittel. Und diese 300 sind gerade mal 0,0035 Prozent der rund 8,637 Millionen Menschen, die in der Schweiz leben. Seine Partei sei überzeugt, so de la Reussille weiter, dass «die wohlhabendsten Bürger*innen eine solidarische Anstrengung unternehmen können – und auch müssen». Dies angesichts der beispiellosen Pandemie, einer immer noch andauernden Krise und stark belasteter öffentlicher Finanzen. Der PdAS-Nationalrat stellte dann die Frage: «Ist es zu viel verlangt, von den glücklichsten unserer Mitbürger*innen eine sehr massvolle Anstrengung zum Wohle aller Einwohner*innen unseres Landes zu verlangen?» So appellierte Denis auch an «die Menschlichkeit», die gerade in so einem Moment wichtig sei. Sein Votum beendete er mit den Worten: «Wenn Sie dieser Motion zustimmen, zeigen Sie Solidarität und die Finanzen des Bundes werden sich schneller erholen.»
Absurde Sichtweise
Menschlichkeit? Solidarität? Nix da. Der Bundesrat hatte bereits im August 2020 die Motion zur Ablehnung empfohlen. Finanzminister Ueli Maurer der SVP vertrat dann in der Ratsdebatte die Posi-tion der Regierung. Es sei hier «einmal mehr zu berücksichtigen, dass es immer schwierig ist, an einem Gesamtpaket von Steuern, das jahrelang gewachsen ist und das in sich austariert ist, eine plötzliche Änderung vorzunehmen.» Denn: «Das bringt das Gefüge durcheinander», meinte Maurer. Der Finanzminister rechnete vor, dass die Abgabe bei einem Vermögen von drei Millionen rund 60000 Franken betragen würde. Er hielt fest: «Drei Millionen Franken eines Vermögens können sehr wohl zu einem sehr grossen Teil in einer Immobilie stecken, die man persönlich bewohnt. Ob aber das Geld dann auch flüssig vorhanden ist, ist eine andere Frage.» Nun Herr Maurer, wer sich leisten kann, drei Millionen in eine Immobilie zu investieren, fährt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Auto, das mindestens 60000 Franken gekostet hat. Und es ist weiter davon auszugehen, dass ein paar weitere Millionen auf Bankkonten rumliegen. Auf den Punkt gebracht: Nur sehr reiche Menschen können drei Millionen Franken in Immobilien investieren.
Der Finanzminister setzte noch einen drauf. «Ich glaube, mit der Umverteilung von hohen Vermögen zu tieferen Vermögen, die wir jetzt schon haben, haben wir das System grundsätzlich ausgereizt.» Eine etwas absurde Sichtweise vom Bundesrat Maurer auf die Realität. Denn diese besagt, dass 0,0035 Prozent der Bevölkerung ein Drittel des Gesamtvermögens besitzt.
Verfassung schützt Reiche
Maurer nannte dann einen weiteren Punkt in seiner Argumentation gegen die Motion, der für die Linke von Bedeutung ist, aber oft vergessen geht: Jede vom Bund erhobene Steuer bedarf einer ausdrücklichen Verfassungsgrundlage. Und diese fehlt für die Erhebung einer Vermögenssteuer. Anders gesagt: Die Schweizer Verfassung sieht keine Möglichkeit vor, eine Steuer auf Vermögen zu erheben, so wie sie von der Motion vorgesehen war! Heisst: Um eine Abgabe auf die Vermögen zu ermöglichen, muss zuerst die Verfassung geändert werden. Wie weit dies auch bei einer einmaligen Abgabe auf Vermögen der Fall ist, so wie von der Motion verlangt, kann infrage gestellt werden und wäre Futter für die Jurist*innen. Was aber bleibt, ist die politische Aussage, die vom Bundesrat so erklärt wird: «Der Verzicht auf die krisenbedingte Einführung neuer Steuern stärkt zudem das Vertrauen der Wirtschaftsakteure in die Beständigkeit der Rechtsordnung und damit die Rechts- und Planungssicherheit.» Und so kam Maurer zum Schluss: «Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, jetzt eine zusätzliche Vermögenssteuer für diesen einmaligen Zweck einzuführen.»
Wenig überraschend lehnte die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat die Motion ab, während das rot-grüne Lager fast geschlossen dafür stimmte. Zwei Vertreter*innen der Grünen Partei enthielten sich der Stimme – warum auch immer.
Was bleibt nun von diesem Vorstoss des Genossen Denis? Die Erkenntnis – und zwar einmal mehr – dass die Argumentation des Bundesrats ein schulmässiges Beispiel dafür ist, welche Interessen im Nationalrat vertreten werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Verfassung des Landes. Ergo: Es braucht einen radikalen Wechsel.