Kein Sonntag für die Geschichte

sit. Natürlich war bei der PdA Zürich die Enttäuschung gross, als das Nein der Stadtzürcher*innen feststand. Doch trotz der Niederlage an der Urne ist die «Sportstadt Züri» für die Zürcher Genoss*innen eine Erfolgsgeschichte.

«Kein Sonntag für die Geschichte.» So kommentiert Harald Lukes, Sekretär der Partei der Arbeit (PdA) Zürich, die Abstimmungsresultate vom Sonntag, 29.November, gegenüber dem vorwärts im altehrwürdigen Sekretariat der Partei an der Rotwandstrasse im Zürcher Kreis 4. Ohne Wenn und Aber: Die Linke hat eine Schlappe eingefahren, so bitter es auch sein mag, dass die Konzernverantwortungsinitiative nur am Ständemehr gescheitert ist. Was Lukes jedoch besonders schmerzt, ist das Resultat der Stadtzürcher Abstimmung zur «Sportstadt Züri». Die Vorlage wurde mit 54,2 Prozent Nein-Stimmen am Ende doch deutlicher als erwartet abgelehnt.
Zur Erinnerung: Die PdA hatte im Herbst 2017 die Initiative Sportstadt Züri eingereicht. Sie forderte den kostenlosen Zugang zu den städtischen Sportstätten sowie die Streichung der Benutzungsgebühren für die Sportvereine. Im Juni 2020 stimmte die rot-grüne Mehrheit im Gemeinderat einem Gegenvorschlag zu, der weitgehend die Forderungen der Initiative enthielt. Daraufhin zog die PdA ihre Initiative zurück. So kam nur der Gegenvorschlag zur Abstimmung. Und dieser erlitt am 29. November an der Urne Schiffbruch.

Angstmacherei
Über die Gründe des Neins lässt sich nur mutmassen. Die «überfüllten Badis», das Hauptargument der Gegner*innen, war reine Angstmacherei. Irgendetwas, was diese Behauptung auch nur ansatzweise belegen würde, gibt es nicht. Das Nein-Lager hat dabei auf die Karte des «Lokalpatriotismus» gesetzt: Ich Stadtzürcher*in, habe dann keinen Platz mehr in «meiner» Badi, die ich mit «meinen» Steuern bezahle, weil sie von «Auswärtigen», also Nichtstadtzürcher*innen, überfüllt wird. Wie kleinkariert und eng. Trotzdem wird diese herbeigeredete Befürchtung bei so Einigen der Grund für ein Nein gespielt haben.
In Zeiten der Corona-Pandemie wird jedoch das Geld ausschlaggebend gewesen sein. Und zwar weniger die Summe selbst. Die 15 Millionen, auf welche die Stadt hätte verzichten müssen bei einer Annahme der Vorlage, sind knapp 0,3 Prozent der rund neun Milliarden Franken Gesamteinnahmen. Es wäre daher locker verkraftbar gewesen. Es war mehr die aktuell herrschende Stimmung im Sinne von: Jetzt, wo es so viele Konkurse gibt und viele um ihre Existenz bangen müssen, können wir keine «Geschenke» verteilen. «Das ist verantwortungslos», war der Lieblingssatz der Gegner*innen in der Abstimmungskampagne.

Der Warnschuss der NZZ
Angeführt wurde das Nein-Lager von FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger. Tatkräftige Unterstützung fand er in der NZZ, die schon fast im Stil eines FDP-Parteiblattes gegen die Sportstadt Züri berichtete. Frohlockend hält sie im Kommentar zum Ausgang der Abstimmung fest, das Resultat sei «eine Wohltat – im Hinblick auf den Finanzhaushalt, der nicht zusätzlich belastet wird.» Das Argument des Finanzhaushalts bei der Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen für sechs Milliarden Franken (plus die zahlreichen weiteren Milliarden für die Unterhaltung der Kampfvögel) war für die NZZ nie ein Thema, die 0,3 Prozent Einnahmenverluste aber nicht vertretbar. Komisch, nicht wahr? Die Freude ist gross beim medialen Flaggschiff der Bürgerlichen: «Wohltuend ist der Entscheid aber in erster Linie deshalb, weil er zeigt, dass sich Rot-Grün in der Stadt Zürich nicht alles erlauben kann.» Das Resultat sei ein «Warnschuss für die zunehmend zügellos agierende linke Mehrheit im Stadtparlament». Wie kriegerisch – und wie übertrieben.

Schreckgespenst Kommunismus
Die NZZ bleibt aber da nicht stehen. Unter dem Zwischentitel «Den Kommunisten gefolgt» ist zu lesen: «Aber es ging um etwas anderes: um die Vorstellung, dass alles allen gehören soll. Das ist insofern nicht erstaunlich, als die Vorlage auf einer Initiative der Partei der Arbeit zurückgeht, der Nachfolgepartei der Kommunisten. Erstaunlich aber ist, dass SP, Grüne und AL auf diesen Zug aufgesprungen sind.» Sie führt also auch den «ideologischen» Kampf. Dass sie dabei auf das Schreckensgespenst des Kommunismus aus dem Kalten Krieg zurückgreift, darf man ihr nicht gross verübeln. Denn sie tut das, was sie schon immer tat: Den Klassenkampf für die Bürgerlichen führen.
Doch: Richtig NZZ, alles soll allen gehören. Was ist daran so falsch? Was ist daran falsch, wenn der durch Arbeit erwirtschaftete gesellschaftliche Reichtum zum Wohle aller dient und nicht nur zur masslosen Bereicherung von wenigen? Was ist daran falsch, wenn die gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen von Pachamama (Mutter Erde) zum Wohle aller statt nur zum Profit von wenigen, ausbeuterischen Grosskonzerne dienen soll? Und ja: Kommunistische Parteien stehen in der Regel für eine klassenlose Gesellschaft ein. Was ist daran so verwerflich?

Die Angst der Bürgerlichen
Natürlich ging es bei der Sportstadt Züri nicht darum, dass «alles allen» gehört – die Badis gehören schon der Stadt und nicht irgendwelchen Privatfirmen. Die ideologische Grundsatzdiskussion – wenn man so will – hinter der PdA-Initiative ist eine andere: Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Etwas spezifischer: Die Erleichterung der Teilnahme für jene Menschen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Geld soll kein Regulator dafür sein, wer teilhaben kann und wer nicht. Getragen war die Idee der PdA auch vom Solidaritätsgedanken: Warum soll eine der reichsten Städte der Welt nicht etwas für die finanziell Schwächsten tun, ohne gleich eine Gegenleistung dafür zu verlangen? Und somit führen die Gratis-Badis auch zur Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums: Wer kriegt viel davon und warum? Und: Wer bestimmt, was und wieviel jemand kriegt?
Je weniger diese Fragen diskutiert werden, desto ruhiger und einfacher ist es für das Klientel der NZZ, für die Kapitalist*innen in diesem Lande. Und so stellt die NZZ diese gesellschaftliche Grundsatzdiskussionen in die böse, kommunistische Ecke, belebt antikommunistische Ressentiments und feuert einen Warnschuss ab gegen die AL, SP und Grüne. Grundlos tut es die mediale Speerspitze des Kapitals nicht: Die NZZ weiss, dass sobald eine breitere Bewegung die Grundsatzfragen wieder diskutiert, die auch durch die Sportstadt Züri aufgezeigt werden können, wird es für das Bürgertum ungemütlich.

Die fehlende Kirsche
Zurück ins Parteisekretariat der PdA Zürich an der Rotwandstrasse: «Schade. Aber wir lassen den Kopf nicht hängen», sagt PdA-Sekretär Harald Lukes, nachdem sich die erste Enttäuschung etwas gelegt hat. «Wir haben eine wichtige gesellschaftliche Diskussion über die Sport- und Gesundheitsförderung lanciert, die stark diejenigen mit einem tiefen Einkommen im Blickfeld hatte. Das ist sehr positiv.» Er fügt hinzu: «Wir haben eine gute Kampagne geführt und auch sonst einen guten Job in Sachen Sportstadt Züri gemacht. Und wir waren sehr gut in den Medien präsent.» In der Tat: Auch wenn die Enttäuschung über das Nein vorhanden ist, Sportstadt Züri ist eine Erfolgsgeschichte für die Zürcher Kommunist*innen. Gefehlt hat lediglich die Kirsche auf der Torte.

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