Frauen im antifaschistischen Widerstand

Italienische Partisaninnen

Florence Hervé. Frauen waren Verbindungsagentinnen, Fluchthelferinnen, Partisaninnen, Kombattantinnen, ob in riesigen Armeen wie in der Sowjetunion, in revolutionären Bewegungen, in kleinen oder grossen Widerstandsgruppen, in Zweckbündnissen politisch unterschiedlicher Kräfte. Ihre Gemeinsamkeit: Die Befreiung.

Zunächst waren es meist politisch organisierte Frauen aus der Arbeiterinnenbewegung, die sich gegen die Naziherrschaft- und Besetzung wehrten, insbesondere Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen. Auch Christinnen und andere humanistisch gesinnte Menschen gehörten dazu. Mit der Ausweitung von Terror, Verfolgung und Mord,nach dem Überfall Nazideutschlands auf unzählige Länder erfasste der Widerstand weite Teile der Bevölkerung in beinahe ganz Europa. Es waren die bekannten und in ihren Ländern gefeierten «Heldinnen» des Widerstands wie die Partisanin Soja Kosmodemjanskaja (Sowjetunion), die kommunistische Zahnärztin und Vorsitzende der Union junger Frauen Danielle Casanova (Frankreich) oder die christliche Studentin Sophie Scholl. Aber es waren auch «die vielen kleinen Hände der Résistance, welche die kaputten Netze heimlich wieder zusammenflickten», wie es die Résistance-Kämpferin und Dichterin Madeleine Riffaud formulierte.

Gemeinsame Merkmale
Bei aller Unterschiedlichkeit der Situationen verband die Frauen der Wunsch nach Freiheit. Sie liessen sich nicht unterkriegen, wählten den aufrechten Gang, kämpften, trotz alledem, für Frieden und Freiheit, für Gleichheit und Menschenwürde, übten Solidarität über alle Grenzen hinweg.
Im Widerstand zu sein war für die meisten sicher kein Abenteuer; und es war für viele Aktive schon gar nicht eine schöne Zeit. „Es waren schreckliche Zeiten“, schreibt unter anderen die italienische Schriftstellerin und Feministin Rossana Rossanda. Und die griechische Kapetanissa Maria Beikou: «Der Krieg nahm uns unsere Jugend». Doch betrachteten sie sich nicht als Opfer. In den schwierigsten und schlimmsten Situationen, so Madeleine Riffaud, «muss man sich sagen: ich bin kein Opfer! Ich bin eine Kämpferin! Das ändert alles!» Heute ist sie noch geplagt von den Verletzungen und Traumata erlittener Folter, aber ungebrochen. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass viele Widerstandskämpferinnen die Verfolgungen und die Hölle der Konzentrationslager nicht überlebten. Es gibt inzwischen zahlreiche Autobiografien und Biografien von und über wunderbare Widerständlerinnen, es fehlen aber diejenigen, deren Leben durch das Erlittene zerstört wurde.

Einige Auswirkungen
Widerstand und Befreiung haben zwar die Situation der Frauen und die kapitalistisch-patriarchalischen Verhältnisse in vielen Ländern West- und Südeuropas nicht grundlegend verändert, sie haben sich aber als wichtige Faktoren für Emanzipation und Demokratisierung erwiesen: So erhielten Frauen nach der Befreiung in mehreren Ländern endlich das Wahlrecht: Frankreich 1944, Ungarn, Slowenien und Bulgarien 1945, Italien und Portugal 1946, Belgien 1948. Man berief sich dabei ausdrücklich auf das bedeutende Frauenengagement im Widerstand. Ausserdem war der Ausschluss von Frauen aus dem Wahlrecht für Demokratien nicht länger vertretbar.
Es gab auch eine verbale Anerkennung der Rolle und Bedeutung der Frauen im Widerstand, die sich allerdings nach der Befreiung nicht in den vergebenen Auszeichnungen widerspiegelte. In Frankreich wurden nur sechs Frauen nach 1945 zum «Ritter der Befreiung» in Frankreich ernannt, jedoch 1024 Männer! Und von 11657 «Helden der Sowjetunion» aus der Zeit des Krieges sind bisher nur 90 Frauen bekannt, die diese Auszeichnung erhalten haben. Dies lässt sich unter anderem auf die nach dem Krieg gängige Definition und Bewertung des Widerstands zurückführen, die diesen meist unter dem militärisch bewaffneten Aspekt betrachtete. Und weil Frauen meist eine spezifische Form des Widerstands leisteten, indem sie das Überleben der Familien sicherten, Verfolgten und Unterdrückten halfen.

Lebenslanges Engagement
Bemerkenswert sind länderübergreifende Frauenfreundschaften, die in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Auschwitz entstanden und oft ein Leben lang dauerten. Zum Beispiel zwischen der französischen Ärztin Adélaïde Hautvall und der niederländischen Zeichnerin und Widerstandskämpferin Aat Breur-Hibma, sowie der französischen kommunistischen Journalistin Marie-Claude Vaillant-Couturier und der deutschen Sozialistin Irmgard Konrad, um nur zwei Beispiele zu nennen. Solche Frauenfreundschaften über die Grenzen hinaus waren nicht nur überlebenswichtig im KZ, sie bildeten oft die Grundlage für widerständiges Verhalten. Und sie tun es noch heute.
In vielen Frauenbiografien zeigt sich eine Kontinuität des widerständigen Engagements. Nach der Befreiung entwickelten ehemalige Deportierte und Widerstandskämpferinnen vielfältige Aktivitäten gegen Rassismus, Kolonialismus und Krieg sowie gegen Frauendiskriminierung – auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Viele spielten in Parlamenten, im öffentlichem Leben oder in Frauenorganisationen und Bewegungen eine bedeutende Rolle: die französische Geschichtslehrerin Lucie Aubrac, die italienische feministische Gewerkschafterin und Journalistin Teresa Noce, die luxemburgische Ravensbrück-Deportierte und Generalsekretärin der Frauenunion Yvonne Useldinger, die österreichische Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die jugoslawische Partisanin und Politikerin Neda Božinovic, oder die niederländische Journalistin, Ravensbrück-Deportierte und Aktivistin für Frauenrechte Stennie Pratomo-Gret. Und sie waren wichtige Zeitzeuginnen.

Solidarität
Ein neues Frauenbewusstsein lässt sich an ihren Biografien ablesen, der Widerstand erwies sich als identitätsstiftend. Dies zeigte sich ebenfalls in der Gründung der Internationalen Demokratischen Frauenorganisation IDFF in Paris Ende November, Anfang Dezember 1945 durch Antifaschistinnen aus aller Welt, unter ihnen die italienische Partisanenpädagogin Ada Gobetti, die Französinnen Eugénie Cotton (Wissenschaftlerin) und Marie-Claude Vaillant-Couturier (Zeugin bei den Nürnberger Prozessen), die Russin Nina Popova, die an der Verteidigung Moskaus beteiligt gewesen war, die spanische Pasionaria Dolores Ibárruri. Das Ziel der IDFF war klar und deutlich formuliert: die Vernichtung des Faschismus, die Sicherung von Demokratie und Frieden sowie die Verbesserung der Lage der Frauen
Auch an diese internationale Frauenorganisation auf Grundlage von Solidarität und über alle Weltanschauungen hinaus sollte erinnert werden. Wie sich der bald einsetzende Kalte Krieg auf diese Vernetzung auswirkte, ist ein anderes, noch kaum aufgearbeitetes Kapitel der Frauengeschichte.

 

Mut und List
Die meisten der in diesem Beitrag erwähnten Frauen werden in dem Buch von Florence Hervé «Mit Mut und List – Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg» porträtiert. Es lohnt sich!
PapyRossa Velag, Köln 2020, 294 Seiten, 17,90 Euro

Qulle: gender-blog.de

Share

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.