Zersiedelung stoppen!
Steven Goldbach. Unser Boden ist begrenzt. Dennoch werden in der Schweiz jeden Tag Grünflächen und Kulturland so gross wie acht Fussballfelder unwiederbringlich verbaut. Am 10. Februar 2019 haben wir es in der Hand, die Zersiedelung zu stoppen: Mit einem Ja zur Zersiedelungsinitiative.
Die Zersiedelung ist das Umweltproblem Nummer 1. Seit Mitte der 1980er Jahre wurden in der Schweiz 584 km2 überbaut. Das entspricht mehr als der Fläche des Genfersees. Ein Ende dieser fatalen Entwicklung ist nicht in Sicht. Auch während der Lektüre dieses Artikels gehen je nach Lesegeschwindigkeit zirka 200 m2 Grünflächen für immer verloren.
Die Zersiedelung schreitet unaufhörlich voran. Vor allem wegen des verschwenderischen Umgangs mit unserem Boden. Statt nachhaltig mit dem Boden umzugehen, wird weiter grossflächig und ungeordnet gebaut, damit danach wieder neues Bauland eingezont werden kann. So fräst sich eine immer grösser werdende Betonflut durch unsere Landschaft. Zugleich wächst der Betonwildwuchs ausserhalb der Bauzonen.
Raumplanungsgesetz ist unzureichend
Die Zersiedelung führt zum Verlust von Lebensräumen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie führt zu Mehrverkehr und den Bau zusätzlicher Strassen, der in einem Teufelskreis wiederum den Verlust von Grünflächen und Kulturland anheizt.
Um die Betonflut zu bekämpfen, ist das Raumplanungsgesetz (RPG) von 2013 ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es reicht nicht aus. Der Zersiedelung kann nicht entgegengewirkt werden, weil weiterhin neues Bauland eingezont werden kann. Bei der nächsten anstehenden Revision des Raumplanungsgesetzes droht die Gefahr, dass das Bauen ausserhalb von Bauzonen sogar erleichtert wird. Es braucht die Zersiedelungsinitiative, um die Zersiedelung wirksam zu stoppen.
Die Initiative bietet griffige Ansätze für einen massvollen Umgang mit unserem Boden und will das ungebremste Wachstum bei den Bauzonen stoppen. Dafür sollen Bauzonen nur noch neu eingezont werden können, wenn an einer anderen Stelle eine vergleichbare Fläche aus dem Bauland ausgezont wird. Mit diesem flexiblen Mechanismus wird garantiert, dass dort gebaut wird, wo es nötig ist. Zugleich wird der Anreiz geschaffen, die bestehenden Baulandreserven besser und bewusster zu nutzen.
Damit auch ausserhalb von Bauzonen nicht immer mehr ungeordnet gebaut wird, will die Initiative klare Regeln schaffen. Fernab des Baulandes sollen nur noch Bauten errichtet werden dürfen, die standortgebunden und von öffentlichem Interesse sind, wie zum Beispiel SAC-Hütten oder Wasserreservoire, oder der bodenabhängigen Landwirtschaft dienen, wie zum Beispiel Gewächshäuser zum Gemüseanbau.
Mehr Lebensqualität durch nachhaltige Quartiere
Die Zersiedelungsinitiative will die Siedlungsentwicklung nach innen fördern. Dazu soll die Entstehung von nachhaltigen und lebenswerten Wohnquartieren wie die Kalkbreite in Zürich oder die Giesserei in Winterthur unterstützt werden. Diese bieten durch moderate Verdichtung viel Wohnraum und Gewerbe, Kulturangebote und wichtige Infrastruktur wie Kindergärten oder medizinische Versorgung in Gehdistanz sowie grosszügige Grünflächen.
Anders als bei einem Siedlungsbrei an Einfamilienhäusern mit hohem Flächenverbrauch, werden hier die Wege verkürzt, das Verkehrsaufkommen und der Energieverbrauch gesenkt. Es ist zudem viel eher möglich, solche Quartiere mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erschliessen oder andere gemeinschaftlich nutzbare Infrastruktur wie z.B. eine geteilte Werkstatt oder ein Gemeinschaftsraum zu realisieren.
Nachhaltige kleinräumige Quartiere sind jedoch nicht nur ökologisch sinnvoll. Sie haben auch einen gesellschaftlichen Mehrwert. So kommen hier durch eine gute Mischung von Wohnformen und Mietpreisen unterschiedliche Gruppen und Generationen zusammen.
Konsequente Antwort auf Rechtspopulisten
Die Reserven an unbebautem Bauland in der Schweiz sind gross genug, um auch beim höchsten Bevölkerungsszenario des Bundes ohne ein einziges Hochhaus genügend Wohnraum zu schaffen. Dafür sorgt vor allem auch der Anreiz der Initiative, bestehende Baulandflächen besser auszunutzen. Es ist daher nicht zu befürchten, dass die Mietpreise durch eine Annahme der Initiative steigen würden. Zugleich kann die Schaffung von mehr nachhaltigen Quartieren dazu führen, dass es mehr preisgünstigen Wohnraum in zentraler Lage gibt.
Nicht zuletzt werden durch die Zersiedelungsinitiative unsere Landschaften erhalten, die für Menschen Erholungs- sowie für Tiere und Pflanzen existenzielle Lebensräume sind. Dadurch kann dem generellen Trend des Artensterbens entgegengewirkt und die Biodiversität geschützt werden.
Die Initiative ist zudem eine konsequente Antwort auf die Versuche von ewiggestrigen RechtspopulistInnen, ZuwanderInnen zu alleinigen Sündenböcken für unsere Umweltprobleme zu erklären. Der Zersiedelung gilt es mit intelligenten Raumplanungslösungen zu begegnen, wie sie von der Zersiedelungsinitiative vorgeschlagen werden.
Gemeinsam können wir darum am 10. Februar mit einem JA zur Zersiedelungsinitiative für einen nachhaltigeren Umgang mit unserem Boden sorgen. Damit wir aus der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten keine Betonwüste machen. Und auch kommende Generationen unsere Landschaften nicht nur als Motiv in alten Fotoalben, sondern hautnah erleben können.
Steven Goldbach ist Mitglied der Geschäftsleitung der Junge Grüne Zürich