Es wurde Zeit!

lmt. Der Nationalrat führte Anfang Dezember in seiner Wintersession eine hitzige Debatte und fällte am Ende die richtige Entscheidung. Sexuelle Handlungen ohne die Zustimmung aller Beteiligten wird als Vergewaltigung geahndet.

«Nur ein Ja ist ein Ja», so lautet die Lösung, für welche sich der Nationalrat am 5.Dezember in der diesjährigen Wintersession entschieden hat. Diesem Entscheid ging eine fünfstündige hitzige Debatte voraus. Aber am Ende war es eindeutig: mit 127 zu 58 Stimmen bei fünf Enthaltungen spricht sich die grosse Kammer klar für eine Verschärfung des Sexualstrafrechtes aus. Bei der Kernfrage, ob nun eine Zustimmungs- oder Widerspruchslösung Eingang ins Gesetz finden soll, waren sich die Abgeordneten nicht so stark einig. Mit 99 zu 88 Stimmen bei drei Enthaltungen machte die «Nur ein Ja ist ein Ja»-Variante knapp das Rennen.

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Für einen radikalen Wechsel

sit. Die Partei der Arbeit Zürich nimmt an den Kantonsratswahlen vom 12.Februar 2023 teil. Die Partei tritt in sämtlichen Wahlkreisen der Stadt Zürich an. Wie aktuell ihre Forderung nach staatlich kontrollierten Mieten ist, beweisen verschiedene Studien.

«Die Mieten, die Krankenkassenprämien, die Kosten für die Energie sowie für die täglichen Lebensmittel steigen. Alles steigt, nur nicht unsere Löhne, Renten und Sozialleistungen», erklärt Harald Lukes, politischer Sekretär der Zürcher Sektion der Partei der Arbeit (PdAZ), auf Anfrage des vorwärts. » Weiterlesen

Teuerung nicht ausgeglichen

flo. Trotz galoppierender Inflation steigen in den meisten Branchen die Löhne kaum. Für viele Menschen im Land bedeutet dies ein sinkender Lebensstandard in den kommenden Jahren. Der Verlust der Kaufkraft der Massen wird das System noch tiefer in die Krise stossen.

Für Rechte sind gute Löhne oft eine gefährliche Sache: So konnte man in der Debatte über das Budget des Kantons Zürich am 13.Dezember im Kantonsratssaal von seitens der Bürgerlichen vernehmen, dass man ja nicht zu sehr bei den Löhnen des Staatspersonals erhöhen dürfe – man würde sonst mit zu hohen Löhnen die Privatwirtschaft konkurrenzieren.

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Entfesselte Kraft im Iran

Seit dem Tod von Jina Mahsa brachen im ganzen Land Proteste gegen das iranische Regime aus. Doch entgegen unseren Medien hier sind diese nicht westlich geprägt.

sah. Wut herrscht seit Mitte September auf den Strassen Irans. Seit dem Tod von Jina Mahsa brachen Proteste gegen das iranische Regime aus, die bis heute anhalten. Dieser Kampf für Freiheit und Gleichheit ist nicht vom Westen inspiriert, wie in europäischen Medien oft behauptet wird. Ungewiss ist der Ausgang der Proteste.

Angefangen hatte es damit, dass im September 2022 Jina Mahsa Amini von der Sittenpolizei in Teheran verhaftet wurde, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäss getragen hatte. Wenig später starb die Frau in einem Krankenhaus. Der Tod von Jina Mahsa Amini schockierte und löste Proteste gegen das iranische Regime aus. Diese Proteste dauern bis heute an. Menschen aus allen Altersgruppen, Ethnien, Schichten und Geschlechtern sammeln sich auf der Strasse.

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Transfeindlichkeit

sah. Hate Crimes gegen trans Menschen haben massiv zugenommen. Diese Feindlichkeit reicht bis weit in die Gesellschaft hinein, wie der ehemalige Bundesrat Ueli Maurer beweist. Die Gesetzeslage im Strafgesetzbuch ist löchrig und bietet kaum Schutz. Transfeindlichkeit ist nicht eigentlich strafbar, sondern vielmehr salonfähig geworden.

Die bekannte Journalistin Alice Schwarzer feierte am 3.Dezember 2022 ihren 80.Geburtstag. Schwarzer prägt die Frauenbewegung in Deutschland und beeinflusst das Geschehen auch über die Landesgrenzen hinaus. Neben durchaus wichtigen und positiven Aktionen für die Bewegung, die sie initiiert hatte, macht sie aber immer wieder auch Aussagen, die in Richtung Transhass gehen.

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Piazza Fontana: Um nie zu vergessen!

Gerhard Feldbauer. Mit dem rechtsextremen Terroranschlag vom Dezember 1969 in Mailand begann die sogenannte Strategie der Spannung. Das Ziel war dabei, das Land zu destabilisieren, um dann einen faschistischen Putsch durchzuführen. 53 Jahre später sitzen die Faschist*innen, angeführt von Giorgia Meloni, an der Macht.

Der Bombenanschlag auf der Piazza Fontana in Mailand am 12.Dezember 1969 war der erste grosse faschistische Terroranschlag in der italienischen Nachkriegsgeschichte. Gegen 16.37 Uhr explodierte vor dem Hauptsitz der «Banca Nazionale dell’Agricoltura» eine Bombe, die 17 Menschen tötete und 88 schwer verletzte. Es war der Beginn der sogenannten «bleiernen Jahre» in Italien, die von der Strategie der Spannung geprägt waren.

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Zwischen Hysterie und Verharmlosung

flo. Im Umgang mit reaktionären Umstürzler*innen zeigt die Bundesrepublik Deutschland, dass sie ein Problem mit dem Kampf gegen rechten Terror hat. Und dass es der «wehrhaften» Demokratie vor allem um die Repression gegen Linke geht. Aus der Geschichte wurde die Lehre nicht gezogen. 

Da passen vielleicht zwei, drei Atemzüge dazwischen, mehr nicht: Nachdem der CDU-Chef Friedrich März die Gefahr von Umsturzpläne durch Reichsbürger*innen und weitere Reaktionär*innen kleingeredet hatte, lobte er die Razzien bei Klima-aktivist*innen, die in den letzten Wochen mit Klebeaktionen auf der Strasse zu reden gegeben hatten. Merz: «Auch das sind schwere Straftaten, auch hier muss ein Rechtsstaat Zähne zeigen.» Eine Organisation hingegen, die mit Waffengewalt und einem Unterstützer*innennetzwerk im ganzen Land plant, die Demokratie per Putsch zu vernichten, ist laut Merz keine Gefahr für die bundesdeutsche Demokratie.

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Peter K. alleine gegen den Staat

Peter K. (gespielt von Manfred Liechti) während einer Gerichtsverhandlung.

dom. Der neue Film von Laurent Wyss beleuchtet die politischen Hintergründe der Geschichte um Peter Hans Kneubühl nur ungenügend und unterstützt das gängige Narrativ vom «verrückten Rentner».

Vor rund zwölf Jahren hielt Peter Hans Kneubühl die Schweiz in Atem. Die Geschichte dürfte manchem in Erinnerung geblieben sein: Nach dem Tod seiner Mutter droht die Zwangsräumung des Hauses, in dem er aufgewachsen ist und in dem er seine Mutter jahrelang gepflegt hat.

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Klimapolitik ist Klassenpolitik, Migrationspolitik ist Klassenpolitik!

dom. Weite Teile der Erde werden bereits in wenigen Jahrzehnten kaum mehr bewohnbar sein. Die soziale Frage darf nicht gegen die ökologische Frage ausgespielt werden. Daher sind Bündnisse zwischen Vertretungen der Lohnabhängigen, Klima- und migrantischen Bewegungen unverzichtbar!

Was treibt Menschen in die Flucht? Heute besteht ein breiter Konsens, dass vor allem Gewalt, Kriege und Konflikte Menschen veranlassen zu fliehen. Es muss aber zwischen unmittelbaren Fluchtgründen und tiefer liegenden Fluchtursachen unterschieden werden. » Weiterlesen

Kuba kann Öko!

Gion Honegger. Kuba, das vielleicht nachhaltigste Land der Welt! Die ökologische Landwirtschaft und die beeindruckende nachhaltige Entwicklung in Kuba standen am Sonntag, 27.November im Restaurant Schwarzer Engel in St. Gallen im
Zentrum der Veranstaltung der Gruppe Cuba Solidarität Vilma Espín.

Kuba setzte in 1960er- und 1970er-Jahren auf industrialisierte Landwirtschaft (mit grossem Einsatz an chemischen Dünger und Pestiziden), sowie auch weiterhin auf die aus der Kolonialzeit stammende Monokultur des Zuckeranbaus. » Weiterlesen

Systemwandel, nicht Klimawandel!

Lea Fäh. Kann die Klimakrise im bestehenden System gelöst werden? Nein, finden immer mehr Klimaaktivist*innen – und assoziieren sich mit dem Slogan «System Change, not Climate Change!» Auch die Bewegung in der Schweiz wird sich der Thematik stellen müssen.

Greta Thunberg, die Ikone der weltweiten Schulstreik-Bewegung Fridays for Future, schwänzte dieses Jahr die Weltklimakonferenz. «Diese Konferenzen sind nicht dazu gedacht, das gesamte System zu verändern, sondern fördern nur schrittweise Fortschritte», zitierte sie die britische Zeitung The Guardian anlässlich ihrer Buchvernissage in London Ende Oktober. «Daher funktionieren sie nicht wirklich, es sei denn, wir nutzen sie als Gelegenheit zur Mobilisierung», fügte sie hinzu, und rief dazu auf, sich im Klimaaktivismus zu engagieren. Die Zeit sei reif für «drastische Veränderungen» am Status quo. » Weiterlesen

Im migrationspolitischen Abseits

Lea Fäh. Der UNO-Migrationspakt steckt in der Schweiz in einer politischen Endlosschleife. Seit 2018 verweigert das Parlament die Zustimmung. Die Schweiz steht weitab, während die Staatengemeinschaft erstmals politische Massnahmen im Interesse von Klimavertriebenen bestimmt.

Die Agenda für den lang ersehnten Einsitz im UNO-Sicherheitsrat ab Januar 2023 hat sich der Bundesrat schon gesetzt. Einer der vier Schwerpunkte ist die Klimasicherheit. Die klimabedingte Migration nimmt weltweit zu. «Der Klimawandel kann bestehende Stressfaktoren verschärfen und Menschen vertreiben», schreibt der Bundesrat in seiner Medienmitteilung dazu. Den Klimarisiken am stärksten ausgesetzt seien gerade die verletzlichsten Bevölkerungsschichten. Hier könne die Schweiz helfen, denn sie verfüge über viel Expertise für das Abfedern der klimabedingten Risiken, so der Bundesrat zu seinen Ambitionen weiter. Gleichzeitig hat die Schweiz als fast einziges Land nicht einmal den UNO-Migrationspakt unterzeichnet. » Weiterlesen

«Wir geben nicht auf!»

lmt. Die Klimaaktion von 2019 vor zwei Schweizer Grossbanken führte auf der einen Seite zu viel Aufmerksamkeit, auf der anderen Seite zu viel Repression. Der vorwärts sprach mit Frida Kohlmann, Mediensprecherin von Climate Justice, dem Kollektiv, welches zur Aktion aufrief.

Wie kam es zur Idee der Blockade?
Die Bankenblockaden, es waren ja zwei in Basel bei der UBS und in Zürich bei der CS, waren Teil der Aktion von 2019, die von Climate Justice aufgerufen wurden. Wir haben uns bewusst diese beiden Orte ausgesucht, weil wir wussten, dass zur damaligen Zeit diese beiden Banken Hauptakteurinnen des Schweizer Finanzmarktes waren in Bezug auf die Klimaerwärmung. Die UBS und die CS waren und sind massgeblich an der Finanzierung von fossilen Brennstoffen beteiligt. Milliarden wurden in Kohlekraftwerke investiert. Dies geht auch immer wieder mit Menschenrechtsverletzungen einher. Und das wollten wir der Öffentlichkeit auch zeigen. Auch damit man es sich zwei Mal überlegt, sein Geld wieder in einer dieser Banken anzulegen. Denn solange man über die Missstände nicht genau informiert ist oder diese nicht konkret zu Gesicht bekommt, ist es einfacher, ein Auge zuzudrücken. » Weiterlesen

«Aus demokratischer Sicht besorgniserregend»

lmt. Im Juli 2019 blockierten Klimaaktivist*innen friedlich die Eingänge zum CS-Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz. Es kam zu Verhaftungen und Verurteilungen. Der vorwärts sprach mit der Rechtsanwältin Ingrid Indermaur über den Prozess und ihre Beobachtungen.

Wie haben Sie den Prozess wahrgenommen?
2021 hat die Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich stattgefunden und im Herbst 2022 nun die Berufungsverhandlung vor dem Obergericht Zürich. » Weiterlesen

Die Macht des Geldes

Lea Fäh. Dem Finanzplatz kommt eine besondere Verantwortung in der Klimakrise zu. Nicht umsonst heisst es: Wo das Geld liegt, liegt die Macht. Es gilt, Finanzflüsse in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens zu bringen. Ob dies gelingen wird?

Alle Jahre wieder. Auch 2022 steht die Schweiz auf dem Siegertreppchen des unrühmlichen Schattenfinanzindex des Tax Justice Network. Diesmal auf Platz zwei. «Der Schweizer Finanzplatz gehört trotz aller Reformen der letzten zehn Jahre immer noch zu den undurchsichtigsten weltweit. Es braucht dringend mehr Transparenz», fordert Allianz Sud in ihrer Medienmitteilung zum diesjährigen Ergebnis. Gleichzeitig ist unser Finanzplatz einer der wichtigsten in der globalen Weltwirtschaft und hat somit einen besonders grossen Hebel in der internationalen Klimapolitik. » Weiterlesen

Ein klimapolitisches Desaster

Lea Fäh. Kohle wird heute in der kollektiven Vorstellung des Westens als Energie aus dem vergangenen Jahrhundert angesehen. Doch da irren wir uns, zeigt die Investigativarbeit der NGO Public Eye. Die Schweiz verhilft dem grössten Klimakiller zu seinem grossen Comeback im 21.Jahrhundert.

2021 sind die weltweiten CO2-Emissionen so stark angestiegen wie nie zuvor. Ganze 36,3 Milliarden Tonnen CO2 wurden in die globale Atmosphäre gepustet, so die Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA). Der Hauptgrund für den bisher grössten jährlichen Anstieg? Die Kohle ist zurück. Die umweltschädlichste aller Energiequellen war für fast die Hälfte des Wachstums verantwortlich.
Und damit nicht genug. In diesem Jahr werde die Produktion von Kohle die historische Höchstmarke von acht Milliarden Tonnen knacken, prognostiziert die IEA. Zu diesem Schluss kommen auch die Autorin und der Autor der Studie von Public Eye, Adrià Budry Carbó und Robert Bachmann: «Das Sedimentgestein, das die industrielle Revolution vorantrieb, wurde noch nie so viel abgebaut, gehandelt und verbraucht wie im Jahr 2022.» » Weiterlesen

Von Tripolis nach Genf

sit. Am 75.Internationalen Tag der Menschenrechte der Vereinten Nationen und am Tag zuvor fanden in Genf Aktionstage im Zeichen der Solidarität mit den Geflüchteten in Libyen statt. Vor dem Hauptsitz des UN-Flüchtlingshilfswerks wurden Gerechtigkeit und faire Behandlungen gefordert. Erschreckend sind die Berichte der Betroffenen aus Libyen.

Gekommen, um endlich gehört zu werden. Am Freitag, 9.Dezember und Samstag, 10.Dezember fanden in Genf Aktionen statt, um auf die unmenschliche Lage der Geflüchteten in Libyen aufmerksam zu machen. Aber nicht nur: Der Protest richtete sich auch gegen das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. «Obwohl der erste Artikel der UN-Menschenrechtserklärung besagt, dass alle ‹Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind›, mussten die Menschen in Libyen mehr als 100 Tage lang vor dem UNHCR-Hauptgebäude protestieren. Dies, weil das UNHCR ihre Forderungen als Menschen anerkannt und in sichere Länder gebracht zu werden, systematisch ignorierte», ist auf der Website unfairagency.org zu lesen (siehe auch Artikel unten auf dieser Seite). Erklärt wird auch der Grund der Aktionstage: «An diesem Wochenende, etwas mehr als ein Jahr nach Beginn der Proteste in Tripolis, mobilisierten die wenigen, die es nach Europa geschafft haben, um den Protest von Tripolis nach Genf zu tragen.»

Tötungen und Vergewaltigungen: Die Schweiz ist mit dabei
Kein Zufall also, dass die Pressekonferenz am Morgen des ersten Aktionstags vor dem UNHCR-Gebäude stattfand. Dabei ergriff der Gründer der Bewegung «Refugees in Libya», David Yambio, als erster das Wort: «Ich bin heute hier, um die Tausenden von Menschen zu vertreten, die noch immer in Lagern in Libyen eingesperrt sind. Es handelt sich um Menschen, die als Flüchtlinge beim UNHCR registriert sind und denen ein fairer Zugang zum Asylverfahren verwehrt wurde». Yambio lebt in der Zwischenzeit in Italien, wo er als politischer Flüchtling anerkannt ist.
Seinem Bericht schloss sich die Mitstreiterin Lam Magok an, die fünf Jahre lang in Libyen gefangen war: «Wir sind Menschen wie alle anderen auch. Wir sind wie Ukrainer*innen. Es gibt keine A- und B-Migranten». Und Azeb Ambessa von den Netzwerken «Solidarität mit Flüchtlingen in Libyen» und «United4Eritrea» erklärte, dass «die transnationale Bewegung kurz nach Beginn der Proteste in Tripolis entstanden ist, um den Stimmen und Forderungen der Flüchtlinge in Libyen Gehör zu verschaffen». Er fügte hinzu: «Das Grenzregime der Europäischen Union ist mitschuldig an Folter, Tötungen und Vergewaltigungen, die täglich in den Haftanstalten in Libyen stattfinden».
Auch die Schweiz finanziert die Abschottung Europas kräftig mit. Das wissen alle, die es wissen wollen, spätestens seit der Abstimmung vom 15.Mai dieses Jahrs über die stärkere Beteiligung der Eidgenossenschaft an Frontex. In Zukunft werden es ganze 61 Millionen Franken sein. Frontex, die Grenzschutzagentur der EU, wurde 2005 gegründet. Seither ist ihr Budget von sechs Millionen Euro um 7000 Prozent gestiegen und soll für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ganze 5,6 Milliarden Euro betragen. Personell soll die Frontex-Einsatztruppe bis 2027 auf ein eigenes stehendes Heer mit 10000 Grenzschutzbeamt*innen aufgestockt werden.

Stoppt die Geisterjagd
Zurück zu den Aktionstagen in Genf. Nach der Pressekonferenz folgte trotz Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt ein Sit-in mit zahlreichen Beiträgen von Betroffenen, das mehrere Stunden dauerte. «Die Gruppe demonstrierte mit Blick auf das Gebäude, in dem Beamte des sogenannten Flüchtlingshilfswerks täglich Entscheidungen über das Leben von Millionen schutzbedürftiger Menschen in aller Welt treffen», ist auf unfairagency.org treffend zu lesen. Am Samstag, dem 10.Dezember und dem 75.Internationalen Tag der Menschenrechte der Vereinten Nationen, fand dann die Demonstration statt. Von der Place des Nations aus zogen Hunderte von Menschen lautstark durch die Calvinstadt. Zu hören waren dabei Slogans wie: «Wir sind hier und wir werden kämpfen – Asyl zu suchen ist jedermanns Recht!», und «UN-Agenturen – Stoppt die Geisterjagd auf Flüchtlinge». Die Demo endete am Place de la Navigation mit mehreren künstlerischen und musikalischen Darbietungen und dem Versprechen, dass dies nur der Anfang von etwas Grösserem sein wird. So ist für die Betroffenen klar: «Wir haben diese Forderungen in Genf auf die Strasse gebracht, während viele unserer Kameraden in Libyen und Menschen auf der Flucht ihr Leben riskieren, um ihre grundlegenden Menschenrechte einzufordern. Wir kämpfen gemeinsam und wir werden weitermachen, bis unsere Forderungen vom UNHCR gehört und umgesetzt werden», so die klare Ansage auf unfairagency.org.

«Es war die Hölle»
Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Und warum dem so ist, beweisen die Berichte der Betroffenen aus Libyen, die auf unfairagency.org zu lesen sind. So berichtet eine geflüchtete Frau aus dem Sudan: «Am Morgen gegen sieben Uhr holten sie uns ab und trieben uns in Militärfahrzeugen zusammen. Auf dem Weg zum Gefängnis befahl der verantwortliche Kommandant, als er den Zustand meines behinderten Kindes sah, seinen bewaffneten Männern, sich zurückzuziehen und uns freizulassen. Wir kehrten nach Gargaresh zurück und mussten feststellen, dass unser Hab und Gut verschwunden war: Ventilator, Bettlaken, Matratzen, Mobiltelefone und die Reste unserer Ersparnisse waren weg.» Ihr blieb nichts anderes übrig, als vor das UNHCR-Gebäude in Seraj zu gehen. «Wir sassen dort in grosser Zahl vor dem Büro, wurden ignoriert und im Stich gelassen, und die Mitarbeiter schlossen ihre Türen und gingen weg.»
Am 10.Januar 2023 wurde das Protestcamp von der libyschen Miliz gewaltsam aufgelöst. «Wir wurden alle in das Internierungslager Ain Zara gebracht. Es war für uns die Hölle. Wir standen die ganze Zeit draussen und es regnete den ganzen Tag.» Erst nach stunden wurde ein kleines Zelt aus Plastikplanen auf dem Gelände des Gefängnisses von Ain Zara aufgestellt. «Es regnete die ganze Zeit, und meistens schliefen wir in den Fluten des Wassers, so wie vor dem UNHCR-Hauptquartier», so die geflüchtete Frau aus dem Sudan. Sie und ihr krankes Kind mussten bis am 15.Februar im Lager bleiben.

Das Mindeste, was wir tun müssen!
Erschreckend ist auch der Bericht eines Mannes. «Seit ich hier in Libyen bin, habe ich persönlich eine Menge schrecklicher Ereignisse erlebt. Wir haben Angst und werden von den libyschen Milizen und den internationalen Organisationen bedroht.» Die Geflüchteten fordern Grundrechte wie Wohnung, Arbeit, Bildung, Gesundheitssystem. Libyen ist ein Staat «von Mördern und Menschenhändlern.» Der Mann erklärt: «Ich bin seit 2020 beim UNHCR registriert, aber ich habe nichts von ihnen erhalten, keinen Schutz, keine Neuansiedlung, nichts.» Es sei daher die Pflicht und Aufgabe, die Stimme zu erheben. «Wir fordern ein sofortiges Eingreifen, um uns zu helfen und uns aus dieser Hölle zu retten. Wir fordern alle Menschenrechtsorganisationen und -gruppen auf, unseren Stimmen und Forderungen Gehör zu verschaffen. Vielleicht können sie etwas tun, was das UNHCR verweigert oder versäumt hat, zu tun.»
Es ist das Mindeste, was wir hier in Europa tun müssen!

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