«Wer hat uns verraten?»

Am gestrigen Abend versammelten sich gegen 400 Menschen, um an einer Demonstration gegen die Aufhebung des AKW-Ade-Camps zu protestieren. Überraschend war das Camp in der Nacht auf den Dienstag polizeilich geräumt worden. Kritik wurde insbesondere an Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) laut.

Spontan trafen sich die, die kamen: Erst am selben Tag war zur Demonstration aufgerufen worden, als direkte Reaktion auf die Räumung des AKW-Ade-Camps. Umso erstaunlicher, dass sich ein ansehnlicher Demonstrationszug versammelte. 400 vorwiegend junge Menschen verschafften ihrem Frust und ihrer Enttäuschung über die unvorhersehbare Aktion der Stadtregierung Raum, von der Reitschule bis zum Bundesplatz demonstrierte man friedlich, aber bestimmt. Unbehelligt von der Polizei skandierten die DemonstrantInnen gegen AKWs im Allgemeinen und die Stadtregierung im Besonderen.

Chronik einer Räumung

Gut 11 Wochen, vom April bis zum 21 Juni, hatte das AKW-Ade-Camp bestaden. Um 3.30 Uhr, am frühesten Dienstagmorgen, begann dann die Räumung. Räumung durch die Polizei, Räumung mit 26 Personen, die kontrolliert und festgehalten wurden. Die Polizei traf auf gänzlich überraschte AktivistInnen: Niemand hatte damit gerechnet, dass das Camp zwangsweise aufgelöst wurde. Tatsächlich hatte Stadtpräsident Tschäppät noch angekündigt, innert der nächsten paar Tage die Anliegen der «Camper» in den Gemeinderat zu tragen, zumindest aber weiterhin auf einen Dialog zu setzen. Ein besonders pikantes Detail: Sogar die Rechts-Bürgerlichen der SVP wollten dem Camp ein Ultimatum von 48 Stunden vor der Auflösung setzen; nun geschah die Räumung gänzlich ohne Ankündigung, ohne Ultimatum und weit früher, als sogar die SVP es sich erhofft hatte.

Der Gemeinderat hatte die Räumung befohlen. Dabei sticht ins Auge, dass dies ohne Zustimmung von SP oder Grünen nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere Alexander Tschäppät (SP) als Stadtpräsident dürfte hier eine tragende Rolle gespielt haben. Ebenso wahrscheinlich scheint eine Beteiligung von Regula Rytz (Grüne). Direkt nach der Räumung des Camps wurde die Campstätte umgepflügt von Mitarbeitern der Stadtgärtnerei – diese untersteht Frau Rytz. Mit der Räumung des Camps geht auch der Rückzug eins Angebots einher. Bislang hatte die Stadtregierung den AktivistInnen angeboten, eine dauerhafte Mahnwache einzurichten. Dieser Vorschlag wurde nun mit dem Hinweis verworfen, dass man keine weitere Besetzung des Areals dulden werde. Spätestens hier lassen sich Vorsatz und Plan erkennen.

Enttäuschung und Frust

Während die Demonstration völlig friedlich verlief, war die Enttäuschung allenthalber spürbar. Die vorherrschenden Parolen schwankten zwischen Protest gegen AKWs und der Wut über das Vorgehen des Gemeinderates. Man konnte die Wiederbelebung eines Jahrzehnte alten Slogans miterleben: «Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!» Interessant hieran dürfte vor allem sein, dass auch vereinzelte Junggrüne und Jusos anwesend waren. Vor allem von den Junggrünen konnte man Worte wie diese hören: «Aus meiner Sicht ist das Tschäppäts Fehler, weil er angekündigt hatte, die Interessen des Camps in den Gemeinderat zu bringen. Und das Camp jetzt unangekündigt aufzulösen finde ich sehr, sehr feige.» Kritik an der eigenen Vertretung im Gemeinderat konnte aber nicht vernommen werden: «Über die Rolle von etwa Regula Rytz kann ich noch nichts sagen.»

Insgesamt war eine spürbar antiparlamentarische Stimmung vorherrschend. Von jenen verraten, die Sympathie und Verständnis bekundet hatten, fühlte man sich zu Recht betrogen. So kam man denn auch dazu, Folgendes zu skandieren: «Parlamenten nie vertrauen, Widerstand von unten bauen!» Es muss allerdings auch angemerkt werden, dass die Partei der Arbeit Bern ihre Solidarität mit den Demonstranten durch Anwesenheit bekundete. Sie warf Gemeinderat und Stadtregierung vor, heuchlerisch gegenüber den AktivistInnen vorgegangen zu sein und eine vorher von der PdA eingereichte Motion zur Unterstützung sämtlicher Aktionen gegen AKWs schlichtweg ignoriert zu haben.

Kundgebung und Fazit

Auf der Kundgebung brach sich die Wut ein weiteres Mal Bahn. Von einem der «Camper» konnte man die Geschichte der Räumung en detail erfahren: «Ich lag heute morgen in meinem Zelt und dachte zuerst, dass das wieder so besoffene Viecher sind, die nichts besseres zu tun haben als zu versuchen, unseren Infostand kaputt zu machen. Aber es waren keine besoffenen Viecher, es war die Polizei und sie haben uns mitgenommen und stundenlang festgehalten. (…) Das Camp war mehr als eine Stätte des Widerstands. Wir konnten uns dort organisieren und hatten eine schöne Zeit. Die vermissen wir jetzt! (…) Tschäppät ist für mich nicht mehr wählbar. Jemand der so sein Wort bricht, den kann ich weder in den Nationalrat noch sonst wohin wählen. (…) Wir machen weiter, bis Mühleberg abgestellt ist.» Beantwortet wurde die Ansprache mit einem Spruch: «Tschäppät raus, Tschäppät raus!»

Aber auch die Reaktion der PassantInnen ist aufschlussreich. Gefragt, wie sie zur Auflösung des Camps stehen, kamen  Antworten wie diese: «Ich finde es scheisse, wirklich scheisse! Ich bin enttäuscht von Tschäppät. Das ist einfach nicht das Feeling der Stadt. Es war friedlich und ja wirklich ein Anliegen, das jedem am Herz liegen sollte.» «Ich find’s doof. Enttäuschend, aber ich mach mir da keine Illusionen mehr.» Illusionslos, nüchtern, enttäuscht. Das dürfte die Reaktionen jener gut beschreiben, die in der rot-grünen Regierung eine Kraft des Fortschritts gesehen haben. Insbesondere, da an diesem Tag eine sehr simple Wahrheit ausgesprochen wurde: «Wenn Mühleberg explodiert, dann wird nicht mehr ein Camp, sondern die Stadt geräumt werden müssen.» Da macht es Hoffnung, dass die AKW-GegnerInnen ihren Widerstand fortsetzen wollen. Bereits diesen Donnerstag, gegen 18.00 Uhr am Viktoriaplatz, soll die nächste Protestaktion stattfinden.

Armutszeugnis der Sonderklasse

Die Räumung der Mahnwache vor dem BKW-Sitz am Viktoriaplatz stellt dem Berner Gemeinderat ein Armutszeugnis der Sonderklasse aus. Sie zeigt auf, wer nach wie vor den Ton angibt: Wenn die Atomlobby spricht, hat die Politik ausgelabbert. Da passt es gut ins Bild, dass der Berner Gemeinderat sich frech über eine am 12. Mai 2011 überwiesene Motion der PdA Bern hinwegsetzt, welche genau diesen selben Gemeinderat damit beauftragt:
1. gegenüber dem Kanton und dem AKW-Betreiber alles in seiner Macht stehende zu tun, um eine sofortige Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg zu erreichen;
2. alle Bestrebungen auf politischer und rechtlicher Ebene aktiv zu unterstützen, die eine sofortige Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg anstreben.
3. Alle seine diesbezüglichen Schritte offen zu kommunizieren.“
Mit seiner Nacht-und-Nebel-Aktion gibt der Berner Gemeinderat zu erkennen, wie ernst es ihm und den in ihm vertretenen Parteien mit der Vertretung der Interessen der Bevölkerung gegenüber den politisch unkontrollierbaren Energiekonzernen ist. Damit bestätigt er auch die Einschätzung der PdA Bern, dass das Vertrauen in Regierungen und Parlamente uns einer raschen Stilllegung der Atomkraftwerke keinen Schritt näher bringt. Einzig eine breite Mobilisierung der Bevölkerung wird einen Ausstieg aus dem Atomwahn ohne Wenn und Aber garantieren. Nur eine breite Bewegung auf der Strasse, am Arbeitsplatz, in den Schulen, im Quartier wird den ersten entscheidenden Schritt ermöglichen: die sofortige Stilllegung des AKW Mühleberg. Dieser Kampf geht weiter!
Partei der Arbeit Bern
21. Juni 2011

Gekommen um zu bleiben!

In der besten Tradition des interdisziplinären Austausches vermischen wir für einmal mehr Kultur und Politik, um zu zeigen: es darf auch einfach einmal Spass machen. Am «Gekommen um zu bleiben-Festival» wird vieles geboten. Drei fantastische Bands, ein Weltklasse Poetry Slam, Informationsstände und Workshops rund um die Themen Sans-Papiers, Asyl- und Migrationspolitik, einiges zum Essen und noch viel mehr zum Trinken. Kommet in Scharen und feiert mit uns!

Programm: Jane Walton (Balkan Trash), Pablopolar (Indie Rock), Junior Tshaka (Reggae), Slam Poetry (mit Etrit Hasler, Gabriel Vetter und Freunden)

Geräumt!

Heute morgen früh liess der Gemeinderat das AKW-Ade-Camp auf dem Viktoriaplatz in Bern von Dutzenden Polizisten räumen und alle anwesenden CamperInnen verhaften. Bis das AKW abgestellt ist, wird der Protest weiter gehen mit oder ohne die Genehmigung des Berner Gemeinderats. Kommt alle heute um 12h zum Viiktoriaplatz.

Mit der Räumung hat sich der Gemeinderat nun auch auf die Seite der Atomlobby gestellt, nachdem der Grosse Rat letzte Woche beschlossen hat nichts zu unternehmen, um das altersschwache AKW Mühleberg vom Netz zu nehmen.

Bis das AKW abgestellt ist, wird der Protest weiter gehen mit oder ohne die Genehmigung des Berner Gemeinderats. Kommt alle heute um 12h zum Viiktoriaplatz. Bereits zum 14. Mal findet das Dienstags-Protest-Picknick statt, heute mit einem Konzert von Trummer und Nadja Stoller. Und am Donnerstag wird es die nächste Donnerstagsdemo geben um 18h. Der Treffpunkt wird auf der Webseite akw-ade.ch bekannt gegeben, wie auch alle weiteren Aktivitäten.

Frauenstreiktag am 14.Juni

11 – 16 Uhr: Lila Pause auf dem Kanzleiareal

Mit Speis und Trank, Installationen, Spielen und Aktionen. Kommt alle vorbei.

14.06 Uhr: Gegen das Schneckentempo bei der Gleichstellung.Kollektives Pfeifkonzert. Macht mit, wo immer ihr dann seid.

16 – 17 Uhr: Wünsche nageln auf dem Hirschenplatz. Nageln wir unsere Forderungen auf das Lila
Brett. Vorbeikommen und mitmachen!

18 Uhr: Kundgebung / Demo „Unser Ziel – gleich viel!“

17.30 Uhr: Besammlung auf dem Bürkliplatz, Einsingen bereits ab 17 Uhr.

Mit Katharina Prelicz-Huber, Susi Stühlinger, Chor „die vogelfreien“, u.a.

19 – 24 Uhr: Fest auf dem Kanzleiareal

Mit Speis und Trank. Musik: She-DJ Milna. Frauen-Tätschquiz mit Katja Alves.

Kontakt und Informationen über zh@14Juni2011.ch

84 Milliarden Gewinn

2010  haben die 41 grössten börsenkotierten Schweizer Unternehmen alle einen Gewinn  erzielen können – im Gegensatz zum Jahr 2009, als neun Konzerne  Verluste hinnehmen mussten. Insgesamt stiegen die Gewinne um 75 Prozent auf den neuen  Rekordwert von 83,9 Milliarden Franken. Am stärksten stiegen die Gewinne in  der Nahrungsmittelindustrie und bei den Banken und Versicherungen. Aber auch  die MEM-Industrie konnte wieder ansehnliche Gewinne erzielen.

Die  aktuellen Zahlen zeigen aber auch: Bei den Beschäftigten kommt von dem von  ihnen erwirtschafteten Erfolg wenig oder gar nichts an. Sie konnten 2010 kaum  von höheren Löhnen profitieren; so lag der durchschnittliche Tieflohn in den  untersuchten Unternehmen bei 52’829 Franken
und damit nur 600 Franken höher  als im Vorjahr.

In 26  der 41 beobachteten Unternehmen hat sich die Lohnschere 2010 weiter geöffnet.  Durchschnittlich liegt die Lohnspanne bei nach wie vor sehr hohen 1:43. Das bedeutet, dass Arbeitnehmende im unteren Lohnsegment 43 Jahre arbeiten  müssen, um den Jahreslohn eines Konzernleitungsmitglieds ihrer/seiner Firma zu erhalten.

Während  im letzten Jahr die krisenbedingte relative Lohnzurückhaltung im  Top-Management der MEM-Industrie sowie der Energie- und der Bau- bzw. Baustoffbranche das weitere Auseinanderdriften der Löhne dämpfte, vergrössern  nun gerade diese Branchen die Lohnspanne wieder kräftig. Unter den Top-Ten  der Betriebe mit vergrösserter Lohnspanne kommen acht aus diesen Branchen.  Die Selbstbedienungsmentalität der Manager macht offenbar weiter Schule.

Aus der Krise nichts gelernt – Manager weiter im  Selbstbedienungsladen

Trotz  langjähriger Thematisierung (die Lohnscherestudie der Unia wird seit sieben  Jahren durchgeführt) und einer lautstarken Boni-Debatte in der breiten Öffentlichkeit während der Krisenjahre, hat sich an der Lohnungleichheit zwischen  Spitzenmanagern und Arbeitnehmenden faktisch nichts verändert. Die  Spitzenlöhne haben sich von den Tieflöhnen abgekoppelt. Letztere stagnierten  wären den Krisenjahren und jetzt im Aufschwung sind zuerst die Aktionäre und dann die Konzernleitungsmitglieder an der Reihe – für die  Tieflohnbezieherinnen und –bezieher bleibt nichts mehr übrig.

Quelle und weitere Infos zum Thema: unia.ch

«Qualität und Sicherheit nur mit uns allen!»

Eine Stunde lang, von 15.45 Uhr bis 16.45 Uhr, konnte man am Unispital Zürich Zeuge einer Aktion der Belegschaft gegen drohende Entlassungen und Budgetkürzungen werden. Mit Transparenten, Fahnenaufgebot und Kundgebung machten Angestellte und VPOD-Mitglieder auf die Situation des Spitals aufmerksam.

Unterschriften gegen Unrecht

Wer heute zur rechten Zeit am Unispital vorbeiging, dürfte sich gewundert haben: Lange, weisse Transparente zierten die Fassade des Gebäudes, darauf zu lesen waren unzählige Namen. Auf Nachfrage konnte man erfahren, dass es die Namen derer sind, die bereits eine Petition gegen das Kürzungs- und Streichprogramm unterschrieben haben, dem sich das Unispital ausgesetzt sieht. Darum ging es auch heute: Die Belegschaft des Spitals, unterstützt von GewerkschafterInnen der VPOD, kämpft gegen Stellenabbau und Budgetkürzungen. Unter dem Motto «Sicherheit und Qualität nur mit uns allen!» wollte man eine breitere Öffentlichkeit mit dem eigenen Anliegen erreichen. Dies dürfte geglückt sein, denn nicht nur war die Aktion unübersehbar -ein weiss eingedecktes Haus vor dem Dutzende, rote VPOD-Flaggen wehten-, sie schaffte es auch, die Medien -unter anderem das Schweizer Fernsehen- einzuspannen.

Deutliche Botschaft

Zweierlei war bemerkenswert. Zuerst fiel der hohe Anteil an Beschäftigten bei der Aktion auf. Generell ein positives Signal, bedeutet es doch, dass der zu bekämpfende Zustand von den wirklich Angestellten auch als realer Missstand empfunden wird. Dann wiederum war, zweitens, die Abschlusskundgebung -stilecht vom hochgelegenen Balkon aus gehalten- von erstaunlicher Deutlichkeit. Da wurde klar gesagt, dass «die Qualität nur dank persönlichem Einsatz» aufrecht erhalten werden kann. Und ebenso wurde darauf hingewiesen, wie diese Aktion zu verstehen sei, nämlich als «klares Zeichen gegen den Stellenabbau, den Qualitäts- und Sicherheitsabbau». Kritisiert wurde die Spitalleitung, die «unter Ausschluss der Öffentlichkeit» Entscheidungen träfe und die Verhandlungen mit dem Aktionskomitee «bereits als beendet» betrachte.

Offenbar wurde da bereits eine ganze Menge verstanden. Dass man sich kämpferisch zeigt, dass man «nicht bereit (ist) den Qualitätsabbau kampflos hinzunehmen», dass man an den Regierungs- und Kantonsrat appelliert, das geplante Budget für das Spital zu erhöhen, dass man ihnen gleichzeitig die kritische Frage stellt ob sich ihre «Vorgehensweise mit den Erwartungen der Bevölkerung deckt» – all das darf wohl als Zeichen eines hohen politischen Bewusstseins gewertet werden. Es gab insbesondere einen Satz, der aufhorchen liess, weil er davon zeugte, dass man begriffen hat, wie hier und heute Gesundheit zur Ware und Spitäler zu deren Produzenten degradiert werden. Er lautete: «Lasst uns kämpfen, damit das starre betriebswirtschaftliche Denken unterbunden werden kann.» Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Zum 14.Juni

Der Kampf um die Gleichstellung der Frau wurde von den Gewerkschaften 1991 kraftvoll geführt. Nun ruft man wieder zum «Streik- und Aktionstag» auf, doch hat dieser einen neuen Charakter. Nötig ist, eine offensive Rolle einzunehmen und dies auch gegenüber den eigenen Missständen.

Die Gleichberechtigung der Frau in der Schweiz ist eine gesetzliche Realität, ihre tatsächliche Gleichstellung bleibt noch immer eine Illusion. Die Frau wird «in ihrem Arbeitsleben um volle 379 000 Franken betrogen», das heisst um 8 800 Franken im Jahr, das heisst um 730 Franken im Monat. So zu lesen in der letzten Ausgabe des «work». Es wundert also nicht, dass die Gewerkschaften am 14. Juni zum Protest aufrufen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hatte im 2009 erstmals über 100000 weibliche Mitglieder.

 

Pause statt Streik

Das Zentrum gewerkschaftlicher Aktivität ist die Arbeit. Um die Arbeit soll es auch am 14. Juni gehen: Mit dem Motto «Unser Ziel – gleich viel!» kämpfen die Gewerkschaften um Gleichstellung im Arbeitsleben. Die Lohntüten sollen einander ähnlicher werden und ein erstes Instrumentarium gibt es: Mindestlöhne. Das alles ist nachvollziehbar, gut und richtig. Das war es auch 1991, bei jenem ersten Frauenstreiktag. Der Unterschied: Damals wurde zum Streik aufgerufen und 500 000 Frauen legten ihre Arbeit nieder, heute setzt man auf «Streikpausen» und «verschiedenste Aktionen». Die Gewerkschaften verzichten also auf ihr eigentliches Druckmittel, den Arbeitskampf. Da ergibt auch eine andere Aussage Sinn, die ebenfalls im «work» veröffentlicht und durchaus auf die Frauen in den Gewerkschaften erweiterbar ist: Die Urheberin des Frauenstreiks, Liliane Valceschini, spricht über ihre Nachfolgerinnen und meint, sie seien «nicht kämpferisch genug». Was hier als verinnerlichter Mangel an Willen erscheint, dürfte durchaus reale Ursachen in der Entwicklung der Gewerkschaften haben.

 

Problematische Entwicklung

Da wäre der Fakt, dass der SGB deutlich an Mitgliedern verloren hat: von 455 000 Mitgliedern 1991 zu 377 000 Mitgliedern im Jahr 2009, ein Verlust von gut 15 Prozent und verbunden mit der entsprechenden Schwächung in vielen Branchen. Da wäre auch zu konstatieren, dass es Widerstände von Seiten konkurrierender Gewerkschaften gibt, die, bewusst oder unüberlegt, jede Streikbemühung torpedieren. Letzthin: Syna und transfair gegen die streikende VPOD. Diese Fakten und, wenn es darauf ankommt, das Zusammenspiel von Presse und Parlament -sichtbar beim Arbeitskampf der VPOD gegen den Stadtrat- machen verständlich, weshalb man zögert, zum Arbeitskampf aufzurufen, weshalb auch eine Julia Gerber Rüegg eher «die Botschaft von 91» anstelle des Streiks von 91 aufleben lassen will. Dass all das aber ungesagt bleibt, im Hintergrund mitschwingt und dennoch nicht benannt wird, ist fahrlässig: Will man für die Frau kämpfen, und wollen die Gewerkschaften sich nicht entbehrlich machen, dann wird es nötig, eine offensivere Rolle einzunehmen. Auch gegenüber den eigenen Missständen.

 

Unser Ziel – gleich viel!»

Julia Gerber RüeggJulia, vor welchem Hintergrund ruft der Gewerkschaftsbund zum Aktions- und Streiktag auf und was sind eure konkreten Forderungen?

In der ganzen Schweiz wird der Grundsatz der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau verletzt. Für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort wird oft nicht das Gleiche bezahlt. Im Kanton Zürich stehen wir sogar vor der Situation, dass sich die Lohnschere zwischen Mann und Frau wieder öffnet, zudem gibt es in der Privatwirtschaft eine Quote von 10 Prozent offen, illegaler Lohnungleichheit. Aus gewerkschaftlicher Sicht steht der Bereich der Arbeit und des Lohns natürlich im Vordergrund. Was wir wollen, ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit für beide Geschlechter. Ein weiteres Ziel ist, dass Frauen die Wirtschaft mitgestalten können. Das heisst, es braucht mehr Frauen in den Führungspositionen. Auch hier hat die Lohngleichheit eine Hebelwirkung. Ein Beispiel: Sobald ein Paar für ein Kind verantwortlich wird, also Betreuung und Haushalt regeln muss, dann überlegt es sehr rational – es rechnet. Da der Mann in der Regel mehr verdient, ist es für die Familie finanziell die grösserer Einbusse, wenn der Mann sich aus dem Beruf zurückzieht. Darum kümmern sich die Mütter mehr um Kind und Haushalt und die Väter konzentrieren sich auf die Karriere– da ist es dann klar, dass mehr Männer in Spitzenpositionen ankommen. Da dieses Muster sehr verbreitet ist, haben sich auch die Arbeitgeber darauf eingestellt und investieren, in der Erwartung, dass sich die Frau vermutlich irgendwann stärker aus dem Beruf zurückziehen wird, auch vermehrt in die Weiterbildung und die Laufbahn der Männer. Um diesen Kreis durchbrechen zu können, ist Lohngleichheit absolut notwendig. Deshalb ist unser Motto für den Frauenstreiktag auch «Wir haben ein Ziel – gleich viel!».

Wenn ihr ein starkes Zeichen für die Sache setzen wollt, warum ruft ihr dann nur zu Streikpausen und nicht zum Streik auf?

Das ist eine gute Frage. (lacht) Ich glaube, es genügt zur Zeit, die Macht der Frauen in Wirtschaft Familie und Gesellschaft, die Botschaft von 91, «Wenn Frau will, steht alles still» in Erinnerung zu rufen. Dazu genügen erstmal Streikpausen. Man muss nicht immer gleich mit dem schwersten Geschütz auffahren.

Weshalb gibt es keine Gleichstellung, obwohl wir rechtlich gesehen gleichberechtigt sind? Wessen Interessen stehen gegen die wirkliche Gleichstellung?

Gleichstellung heisst natürlich Machtteilung. Viele Männer haben kein Interesse an einer anderen Organisation der Gesellschaft. Das liegt auch in der Sozialisation, denn lange Zeit wurden Frauen ja wirklich als Zudienerinnen erzogen, die das Leben des Mannes erleichtern sollten, während er die Familie ernährt. Die Rolle der Männer ist hier die des Ernährers, praktisch eine heroische Rolle. Diese zu verlassen, ist in der Vorstellung vieler immer noch ein Bedeutungsverlust. Auch ist es ein Problem, dass sich die Gleichstellungsoffensive innerhalb eines Systems bewegt, das grundsätzlich auf Machtungleichgewichten zwischen arm und reich abläuft. Frauen verfügen nachweislich über viel weniger Reichtum als Männer. Wobei aber anzumerken ist, dass das Problem der Diskriminierung der Frauen in allen bisher bekannten politischen Systemen virulent war und ist. Eine Welt, frei von Diskriminierung der Frauen, muss erst noch erfunden werden. Dass Männer langsam bemerken, dass es noch Qualitäten neben der Karriere gibt, etwa die Zeit für die Familie, ist für mich eine Hoffnung. Denn: Können wir Frauen die Gleichstellung allein umsetzen? Nein, was wir auch brauchen, ist das Engagement der Männer. Das nächste Wegstück muss ein gemeinsames sein. Das, was wir am wenigsten brauchen ist ein Geschlechterkrieg. Der wirft uns nur zurück und den verorte ich als reaktionär – etwa bei den Antifeministen.

Infos zu den geplanten Veranstaltungen am 14. Juni unter: http://zh.14juni2011.ch/

Auszug aus dem Artikel, der im «vorwärts» vom 10. Juni erscheint. Unterstützt uns mit einem Abo!

Libyen: NATO verstärkt Kriegseinsatz am Boden

Es  ist klar, dass der Einsatz von Kampfhubschraubern nur zur Bekämpfung von Zielen am Boden dienen kann. Das hat mit der Durchsetzung einer «Flugverbotszone», wie sie ursprünglich in der einschlägigen Libyen-Resolution von UNO-Sicherheitsrat genehmigt worden ist, absolut nichts mehr zu tun. Nach dem Wortlaut der UNO-Resolution sollten westliche Flugzeuge nur eingesetzt werden, um eine «Flugverbotszone» durchzusetzen, die Gaddafis Luftwaffe an Angriffen auf die Zivilbevölkerung hindern sollte. Der Einsatz von westlichen Truppen für Kämpfe am Boden war ausdrücklich ausgeschlossen worden. Inzwischen ist die Gaddafi-Luftwaffe infolge des anhaltenden NATO-Bombadements einsatzunfähig. Bereits die NATO-Bomben auf Panzerkolonnen, Militärlager, Kraftstoff- und Fahrzeugdepots und andere Ziele am Boden waren ein Eingreifen in Kämpfe am Boden, das deutlich über die in der UNO-Resolution festgelegten Grenzen hinausging. Doch der nun praktizierte Einsatz von Kampfhubschraubern kann sich überhaupt nur gegen Bodenziele richten. Er stellt also eine weitere Eskalation des Eingreifens in den Bodenkrieg weit über den vom UNO-Sicherheitsrat genehmigten Rahmen hinaus dar.

Geheimdienstveteranen  helfen mit

Statt auf den vorliegenden Friedensplan der «Afrikanischen Union» zur raschen Beendigung der Kämpfe und zur Einleitung eines Verhandlungprozesses über demokratische Reformen in Libyen einzugehen, der vom Gaddafi-Regime akzeptiert wurde, eskaliert die NATO die Kriegsführung am Boden, die von keinerlei UNO-Beschluss gedeckt ist. Gleichzeitig gab sie am 1. Juni bekannt, dass sie ihr «Mandat» für den Libyen-Einsatz, das eigentlich Ende Juni ausgelaufen wäre, aus eigener Machtvollkommenheit bis Ende September verlängert – ohne dass der UNO-Sicherheitsrat dazu auch nur gefragt worden wäre. Die NATO-Strategen rechnen offensichtlich noch mit einer längeren Dauer des Libyen-Krieges, mindestens bis in den Herbst hinein, ungeachtet der Tausende von Todesopfern und Verletzten einschliesslich von Opfern unter der Zivilbevölkerung und ungeachtet schweren Zerstörungen der Infrastrukturen des Landes.

Es kommt hinzu, dass die Einsatzziele für die Kampfhubschrauber offensichtlich von vor Ort am Boden eingesetzten «Aufklärern» ermittelt werden. Das ergibt sich aus einer Veröffentlichung der britischen Zeitung «The Guardian» am 31. Mai unter der Überschrift: «SAS-Veteranen helfen der NATO, Gaddafi-Ziele in Misrata zu identifizieren».

SAS steht hier für «Special Air Service». Das ist eine etwa 500 Mann starke Spezialeinheit der britischen Armee, die seit Jahrzehnten weltweit zur «Aufklärung» und «Nachrichtenbeschaffung» im Einsatz ist, unter anderem im Irak, in Afghanistan und im Iran. Aber auch «operative Einsätze» wie Geisel- und Gefangenenbefreiung, Sabotageakte, «Terroristenbekämpfung» vor Ort und «verdeckte Einsätze» in anderen Ländern ohne Wissen der betreffenden Regierungen gehören zu ihren Aufgaben. Sie ist teilweise mit dem deutschen KSK («Kommando Spezialkräfte») vergleichbar.

Wie der «Guardian» schrieb, haben «gut platzierte Quellen» der Zeitung berichtet, dass «frühere SAS-Soldaten und andere westliche Angestellte von privaten Sicherheitsfirmen der NATO helfen, Ziele in der libyschen Hafenstadt Misrata zu identifizieren». Die «Spezialkräfte-Veteranen» sollen Details über Standorte und Bewegungen der Gaddafi-Truppen an das NATO-Hauptquartier in Neapel melden. Danach würden diese Ziele durch «Spionageflugzeuge» und US-«Predator»-Drohnen «verifiziert». Die so erkundeten Ziele würden dann an die Piloten der britischen und französischen Kampfhubschrauber weitergegeben. Die früheren SAS-Soldaten seien «mit dem Segen Grossbritanniens, Frankreichs und anderer NATO-Länder»  im Einsatz, die sie mit entsprechenden Kommunikationsgeräten ausgerüstet haben.

Verstoss gegen die UNO-Resolution

Der Einsatz der «Geheimdienstveteranen» wurde bekannt, weil in einem Film des Senders Al-Jazira kürzlich sechs mit Sonnenbrillen und Käppis ausgestattete «Westler» mit «britischem Aussehen» an der Frontlinie bei Misrata in Gesprächen mit «Rebellen» zu sehen gewesen waren. Auf Nachfrage verneinte das britische Verteidigungsministerium nachdrücklich, dass es in Libyen ausser zehn Militärberatern in Bengasi irgendwelche weiteren «Kräfte am Boden» im Einsatz habe. Jedenfalls würden die gesichteten «Westler» nicht von der britischen Regierung bezahlt. Inoffiziell hiess es dann, dass die SAS-«Veteranen» jetzt als «private Soldaten» für «Sicherheitsfirmen» agierten, die «von arabischen Staaten, besonders Katar» bezahlt werden.

Das in Paris ansässige Afrika-Magazin «Jeune Afrique», das die Veröffentlichung des «Guardian» am 1. Juni auf seiner Internet-Seite aufgriff, stellte im Anschluss an die Darstellung der Fakten die Frage: «Aber wer bezahlt letzten Endes diese Sicherheitsfirmen und gibt ihre Informationen an die internationale Koalition weiter?»

Es liegt auf der Hand, dass es sich um einen dürftig getarnten Einsatz von britischen «Spezialtruppen» am Boden handelt, der gegen die UNO-Resolution vestösst.

G. Polikeit